Musik und
Transzendenz






Samstag, 23. Februar 2019, 20:00 Uhr
Dreifaltigkeitskirche Bern

᾽Εν ἀρχῇ ἦν ὁ λόγος

ein philosophisches Konzertprojekt

 

Dark Matter

 

In der Astrophysik beschreibt Dunkle Materie die Annahme einer Materie, die zwingend notwendig ist, um grundsätzliche Phänomene wie z.B. die deutliche Abweichung der Rotationsgeschwindigkeiten von Galaxien von dem Wert, der aufgrund der bisher angenommenen weil beobachteten Masse unter Voraussetzung der elementaren physikalischen Gesetze erreicht werden müsste erklären zu können. Sie ist damit der zentrale Faktor, der Aufschluss über die raumzeitliche Geometrie und damit natürlich auch über die Zukunft des Universums gibt und auf der anderen Seite als Bestätigung der vorausgesetzten elementaren Gesetze notwendig ist.

Dabei würde diese dunkle Materie, die sich bisher jeglicher Beobachtung entzieht und zu deren möglichen Substanz bzw. Faktur die unterschiedlichsten, teilweise recht wagemutigen Hypothesen – bei denen jedoch keine ohne innere Widersprüche ist – aufgestellt wurden, den größten Teil des Universums ausmachen.

Künstlerisch interessiert mich daran in besonderem Maße dieses geradezu abenteuerliche ästhetische Potential einer Vorstellung, dass das, was das eigentlich Substantielle ausmacht, stets im Verborgenen bleibt, zugleich aber die Welt des Wahrgenommenen in aller subtilsten Differenziertheit steuert (worin zudem auch ein interessanter Bezug zur Bedeutung des Begriffs „Dark Matter“ in der Systembiologie zu erkennen ist). So gestalten sich Form- und Zeitstruktur der Komposition einerseits zunächst im Vordergrund klar, offenkundig schlüssig und stringent, sind aber zugleich an den entscheidenden Punkten immer wieder von völlig unerwarteten – vordergründig gänzlich unerklärlichen – Winkelzügen, Wendungen etc. gekennzeichnet und formen dennoch und zugleich ein im Innern zutiefst kohärentes Ganzes.

Musikalische Ausgangs- oder besser Initiationsidee des Werkbeginns bilden dabei die Elemente Impuls und (dessen) Nachklang, wobei auch diese Urelemente bereits von Anbeginn alle, sich nach und nach bis ins annähernd Unendliche auswachsenden inneren Differenzierungen in sich tragen. Im weiteren Verlauf formen diese Elemente immer differenziertere Klangflächen aus, mutieren zu auskomponierten Flächen von Schwebungen, bilden schließlich Gestalten, die jedoch bewusst nur in ausgewählten Momenten zaghaft an die Oberfläche, in die Welt des Evidenten treten, überwiegend jedoch die innere Faktur der musikalischen Gesamttextur bestimmen, um dann im groß angelegten Mittelteil schließlich in die völlig andere und dennoch letztlich durch die gleiche „Materie“ bestimmte Welt subtil fluktuierender, hyperdifferenziert intern gesteuerter multiphoner und spektraler Klangflächen zu münden … dabei extreme Zeitdehnung, Ansatz der Auflösung des Raum – Zeit – Kontinuums … und schließlich völlig unerwartetes Einsetzen des Schlussteils mit vordergründig gänzlich anderer Faktur, dennoch und zugleich aber im Innern kohärent.

Auch auf der Zeitdimension: Spannung eines enormen, am Rande des Möglichen sich befindenden Bogens zwischen Hyperdichte, einer Art „musikalischen Plasmas“ und extremer Dehnung bis hin zur momenthaften Wahrnehmung einer Art Zeitauflösung … dabei schon ein wenig an Gunnar Ekelöfs „Kunst des Unmöglichen“ denkend …

Dark Matter ist ein Kompositionsauftrag des Trio Aventure und diesem gewidmet.

Michael Quell

 

Michael Quell

 

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© Chr. M. Moosmann